Berichte und Bilder

Zu unseren Gesprächsthemen auf der Wanderung entlang dem Grünen Band am 14.07.2023 mit Katharina, Tahra und Harald

Aufbruch vom Kloster Hülfenberg. Tahra spricht auch aufgrund ihrer Erfahrung aus verschiedenen Kulturen das Gemeinsame der Religionen an. Harald greift dieses Anliegen auf und weist auf die Aufgabe der „religio“ hin, das ein sich Zurückwenden auf den Ursprung bedeutet, den es zu vergegenwärtigen gilt. Diese Erneuerung ist Gabe einer Orientierung – und mit Orient ist ja das Morgenland, also die Gegen des Aufgangs der Sonne gemeint. Dieser Aufgang als Lichtwerdung ist Bild des Ursprungs, die als Schöpfung ein sich selbständig Orientierenkönnen von Menschen ermöglicht – selbstbewußt im Sinne des Lichts und in einer stabilen Ordnung, in der wir oben und unten, links und rechts unterscheiden und gemeinschaftlich Wege weisen können.

Tahra nimmt das thematische Verhältnis von Ursprung, Schöpfung und Ermöglichung von Orientierung mit großem Interesse auf und möchte gerne Kants kleine Schrift nachlesen: „Was heißt: Sich im Denken orientieren?“

"Sich orientieren heißt in der eigentlichen Bedeutung des Worts: aus einer gegebenen Weltgegend (in deren vier wir den Horizont eintheilen) die übrigen, namentlich den Aufgang zu finden. Sehe ich nun die Sonne am Himmel und weiß, daß es nun die Mittagszeit ist, so weiß ich Süden, Westen, Norden und Osten zu finden. Zu diesem Behuf bedarf ich aber durchaus das Gefühl eines Unterschiedes an meinem eigenen Subject, nämlich der rechten und linken Hand. Ich nenne es ein Gefühl: weil diese zwei Seiten äußerlich in der Anschauung keinen merklichen Unterschied zeigen."

Katharina beteiligt sich aufmerksam, überlässt als Wandererführerin die Gesprächsführung Tahra und Harald.

Die Schöpfungsmythen der Völker sind darin verwandt, dass sie eine Grundlegung durch Unterscheidungen (von Festem und Flüssigem), von stabiler Ordnung und Erkennbarkeit der Dinge stiften, für die das oft mehrgestaltige, Rückschläge bewältigende Schöpfungshandeln die Verkehrung, das Tohuwabohu, also eine Desorientierung und Abgründigkeit überwindet. Die Schöpfungswerke wenden sich gegen eine Gefährdung von Selbständigkeit und eines selbständig sich in der Welt Orientierenkönnens. Eine Angabe „Als Himmel und Erde noch nicht waren ...“, die auch in Ägyptischen Schöpfungserzählungen gebraucht wird, benennt keinen stabilen Zustand, sondern nimmt bereits Bezug auf eine Ordnung, in der Menschen allererst selbst sein und denken und die Gaben annehmen können.

In den immer schon der Gabe als angenommen dankenden Ursprungsdarstellungen wird durch das sich Zurückbiegen auf einen die eigene Möglichkeit negierende Unordnung Bezug genommen auf eine unaushaltbare, unannehmbare, darum auch nicht gegebene, sondern drohende Gefährdung der eigenen Existenz, die die Nichtung der zur Orientierung gehörenden Vermögen von Bewußtsein und Gedächtnis einschlösse. Das „Sein von Nichts“ ist nur als Schein, Irrtum oder Verwirrung dort vorstellbar, wo es um die Anstrengung zu Wahrung der Vorstellungskräfte und Bewußtseinsvermögen geht. Der Schöpfungsgesang vergegenwärtigt die vor dem Abgrund und der Verwirrung rettende Ermöglichung des Seinkönnens (von Menschen als selbstsbewußte Wesen) und bewegt damit die erzählend, dichtend oder singend gedenkende Gemeinschaft zur Bewahrung der ein bewußtes Leben ermöglichenden Schöpfungsgabe. Die Genesis der Bibel weist diese durch die erzählende Vergegenwärtigung des Ursprungs aufgegebene Bewahrung der Schöpfung durch die mit der Stiftung von Ordnung gegebene Bestimmung des Menschen als Ebenbild der schöpferischen Gottheit aus. Andere Mythen, wie etwa der Hopi in Nordamerika erkennen den Schöpfungsgesang selbst als zu bewahrendes Ursprungsgedächtnis, ohne dessen Pflege die Schöpfung zugrunde geht und dann in zweitem und drittem Anlauf der Erneuerung bedarf.

Die mythisch dichterische Erzählform mit ihrer vorgreifenden Struktur ist durchaus reflektiert und für die Gewärtigung von Ursprung angemessener als eine zeitlinear historisierende oder kausale Erklärung. Wie diese in Bildern der Ordnung der natürlichen Lebensbedingungen sich darstellende Grundlegung die gesellschaftlichen und politischen Vermögen ermöglicht, wäre am Verhältnis von Schöpfung und Bund zu erörtern.

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Mit Ursprung und Orientierung haben wir in unseren Weggesprächen das Thema der Achtung verbunden, die als ein „Vernunftempfinden“ zu begreifen ist.

Mit Gesang, Dichtung und Kunst berührten wir jenen Bereiche der Kultur, dem die Bildung und Pflege – also die Kultivierung – von unser Verhalten steuernden Empfindungen und Gefühlen obliegt, die im Unterschied zur sinnlichen Wahrnehmung von Dingen und Gegenständen nicht in Raum-Zeit-Verhältnissen bestimmbar gegeben und sich nicht wie das Messbare und Beobachtbaren, von Naturgesetzen Bestimmtem oder das technisch Verfügbare verhält. Was unser Verhalten dort reorientieren kann, wo es mit sich selbst uneins ist und nach Erneuerung der Maßgabe verlangt, läßt sich nirgendwo anders finden und wieder annehmen als in diesem Verhalten selbst. Es entdeckt sein Maß als Idee, die im Begriff seiner selbst ihm das ursprünglich eigene Vermögen dort zu bedeuten vermag, wo wir als Personen uns wieder den vernachlässigten Bedingungen unserer Vermögen zuwenden. Denn die Vermögen bedingen einander und weisen als Gemäßheitsbedingung je ihrer selbst eine Einheit als ursprüngliche Ordnung aus, von der sich auch die streitlösende Arbeit aus und an Begriffen leiten lassen können muss. Diese gehören zum Selbstbewußtsein der Vermögen, die uns als Menschen gemein sind und als gemeinsame geachtet sein müssen, wenn wir an der Ermöglichung der Würdeachtung für das Seinkönnen als Personen teilhaben wollen. Dass wir dazu verpflichtet sind, ergibt sich aus der Einheitsbedingung der Ordnung der Begriffe, die ja die vorausgesetzte Identitätsbestimmtheit trägt. Darum gibt es aus der Desorientierung und der Verachtung keine Rettung allein nur durch oder nur für sich selbst, weder als Selbstbezug eines einzelnen Vermögens noch einer einzelnen Person.

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Die Vermögen der Achtung bilden sich gegenwendend im Zusammenhang der Widerfahrnis von Verachtung, auch der an sich selbst erfahrbar gewordenen Mißachtung. Dieser zur Ermöglichung von Gemeinsinn gehörenden Bildung von Vermögen im Angesicht ihrer Verletzung dienen die Kulte der Erneuerung des Ursprungs und die Kräfte ihrer geistigen Bindung aus der gemeinschaftlichen Vergegenwärtigung ihrer zu wiederholen weiterzugebenden Erzählungen. Für die Frühzeit des homo sapiens hat Walter Burkert in seiner Studie „homo necans“ (Der tötende Mensch) dies an den Initiationsriten von Stammesgesellschaften gezeigt, ihrer Regelverletzung, der gegenüber den Lebewesen aufgenommenen Schuld und das entgeltende Opfer, den Schuldverschiebungen und den Unschuldskomödien (bis hin z.B. des Schmückens des Pfingstochsen).

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Wir empfinden ein Handeln, das etwas zum Mittel für andere Zwecke gebraucht, als ein entwürdigendes Verhalten, wenn das Gebrauchte selbst ein Wesens ist, das eigene Zwecke haben und verfolgen kann. Dem zweckorientierten Denken eines achtlosen Gebrauchs entgegen wirkt der ethische Grundsätze, die Vermögen von Personen nicht nur als Mittel zu gebrauchen, sondern immer auch als Zweck an sich selbst zu achten:

„Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ (Kant, Grundlegung der Metaphysik der Sitten)

Als „Objektverbot“ ist diese Formulierung eines Verhaltensgebots zwischen Menschen in die Deutung des Art 1 des Grundgesetzes eingegangen. Dieses ethisches Gebot wurde von den verfassungsgebenden Versammlungen 1948/49 als Grundsatz des Verfassungsgefüges durch das Diktum der Unantastbarkeit der Würde des Menschen aufgenommen und auf dieses das Personseinkönnen zu achten und zu ermöglichen gebietende Gebot, Menschen nicht in ihren personalen Vermögen zum Objekt der Verfügung zu machen, verweist auch das in Art 2 genannte Sittengesetz, das zu den Bedingungen des Grundrechts der Freiheit der Person gehört.

Personen sind Wesen, die Rechte haben. Das Gebot der Achtung von Würde wird mit der daraus entspringenden Schutzverpflichtung der Verletzung des als unantastbar zu Achtenden gegenüber zum Recht auf Achtung. Als Personen verpflichten sich die Menschen selbst, einander ein Recht auf Achtung anzuerkennen. Diese wechselseitige Anerkennung des Grundrechts auf Achtung können sie nur gemeinschaftlich durch eine Grundrechte zu gewährleisten verpflichtende Selbstgesetzgebung bewerkstelligen, die eine jede Person zu tragen bestimmt ist.

Der Bestimmungsgrund der auf das Menschheitliche bezogenen Selbstzweckformel läßt sich von den allen Menschen zuzuerkennenden Vermögen des Seinkönnens als Person her begreifen, für das die verantwortliche Trägerschaft von Selbstgesetzgebung wesentlich ist. Daraus entspringen die ethischen Gebote der Ermöglichung von Teilhabe an der Konstitution von Rechtsgemeinschaft. Die menschheitlichen Bedingungen der Vermögen des Seinkönnens als Person schließen das Gemeinschaftsverhalten ein. Diese eine Teilhabe ermöglichenden, unbedingt zu achtenden und auch in Stellvertretung zu ermöglichenden Vermögen bedingen einander. Als Bedingungen können sie nicht wie Gegenstände begriffen und erfahrbar gemacht werden, bilden kein Faktum, aber auch keine Norm, von der her jemand aus der Achtung gebietenden Teilhabe an der Rechtsgemeinschaft ausgeschlossen werden könnte. Auch Kinder werden als Personen geachtet, damit sie Personen werden können.

Die Bedingungen der Vermögen des Selbstseinkönnens als Personen lassen sich ohne Achtung der Würde dieser Vermögen nicht erkennen. In der Gegenwendung ihrer Verachtung korrigiert sich die vernachlässigende Haltung durch die Wiedererinnerung im Begriff des Vermögens selbst als es selbst, also im Maß seiner Idee, von deren Begriffen her uns als Menschen das achtbare Seinkönnen als Personen in Personengemeinschaften als aufgegeben wiedererkannt wird.

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Eine Grenze zum nur erklärenden, etwas als gegeben zu erfassen suchenden Verstand zeigt sich auch in der Art der mit der empfindenden Urteilskraft sich vereinigenden Vernunftbegriffen, mit denen uns Maß, Grund und Kriterien der Orientierungsentscheidungen nur gegeben sein können, wenn wir das Aufgegebene erkennen: in dessen Annehmen.

Das Geben einer Gabe erfüllt sich ja nur im Angenommenwerden.

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Der zu beachtende Unterschied von „gegeben“ und „aufgegeben“ in Art und Bedeutung, in Form und Struktur von Grund- und Leitbegriffe wie Würde und Vernunft, Recht und Gerechtigkeit, Wahrheit und Güte, Freiheit und Verantwortung, Vermögen und Urteilskraft je als solche zeigt sich im Denken aus Begriffen daran, dass sie sich nicht wie Begriffe gegebener Gegenstände durch Angabe von Merkmalen bestimmen lassen. Es läßt sich auch keine stabile Hierarchie von Art- und Gattungsbegriffsverhältnissen konzipieren. Im Ansatz einer klassischen Definition, die die Subsumtion unter einen Allgemeinbegriff und eine spezifische Differenz zu anderen Arten erfordert, erscheinen darum die Grund- und Maßbegriffe dem Verstand undefinierbar. Das hat – mangels kritischer Unterscheidung der Vermögen von Verstand und Vernunft und der Arten ihre Erkenntnisse – viele zum Fehlschluss gebracht, in diesem Bereich, in dem wir für die Orientierungsentscheidungen der praktischen Vernunft solche Maß- und Grundbegriffe gebrauchen, lasse sich mangels begrifflicher Bestimmtheit und Verbindlichkeit überhaupt nichts begründen und wir wären – auch für die Erfassung der rechten Bedeutung von uns in unseren Beurteilungen leitenden Begriffen von Vermögen und ihren Bedingungen – auf Bewertungen aus letztlich subjektiven Vorzugsentscheidungen angewiesen.

Dagegen läßt sich aus der Beachtung gerade der Struktur der Schöpfungsmythen eine Begründungsform von kollektiv bindungsfähigen Kriterien erkennen, die immer auf die Gefährdung und die Mißachtung von nicht zu vernachlässigenden Bedingungen bezogen bleibt. Darum hat die Begriffsarbeit in der Bildung von Einsicht in die personalen Vermögen als Zwecke je an sich selbst und ihre Bedingungen mit der Abarbeitung an Unstimmigkeiten und Widerstreiten teil, in die eine auf gemeinsame Begriffe angewiesene Weisung, Beurteilung oder Gesetzgebung gerät. Die Arbeit an Begriffen und aus Begriffen ist so immer auch eine für das Feld der praktischen Urteilskraft bedeutsame „Arbeit am Mythos“ (Blumenberg zum Prometheusmythos). Die Bestimmungsarbeit an den Bedingungs- und Vermögensbegriffen gehört zur Fürsorge der Bildung von personalen Vermögen und weist sich in einer orientierenden Funktion für das gemeinsame Beurteilen, Gesetzgeben und Entscheiden aus: die Schöpfungsmythen stellen die Ermöglichung von Erkenntnis in der Bildung selbstbewußter Orientierungsvermögen dar. Die als solche weisheitsliebende Begriffsarbeit ist – nun nicht mehr so erstaunlich – mit den Strukturen mythischer Begründung und den Ursprungsdarstellungen vereinbar und gehört so unbedingt zur gemeinschaftlich zu fördernden Bildung von Gemeinsinn. Sie bedarf aber methodisch der Kritik des durch Aussagen und Sätze sich formierenden Rationalismus und des ihn ständig begleitenden Skeptizismus. Im Unterschied zur Ursache, die als Kraft etwas bewirkt, ist ein Ursprung ein Ermöglichen durch eine Gabe, die immer schon teilhabend angenommen sein muss, um auch nur gedacht sein zu können. Darum ist das Denken des Ursprungs als Andenken ein Danken.

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In die Bedeutung des Begriffs des Gemeinsinns, den wir in zur Achtung und zum Schutz der Würde des Menschen uns verpflichtenden Grundsätzen annehmen, muss die Ideenbedeutung der Begriffe all jener Bedingungen eingegangen sein und bewahrt werden können, ohne die wir weder Empfindung und Vernunft vereinen und noch einen Begriff von Würde haben können, da er ohne Achtung als je gegenwärtige Haltung seine orientierende Bedeutung und damit seine ihm ursprünglich eigene Bedeutung verliert.

Die Ermöglichung des Mitwegs

Da weder die Würde der Vermögen des Menschen noch deren heiligend schöpferische Ermöglichung sinnlich erfassbar gegeben sein können, erfordert die zu bewährende Erkenntnis der Vermögensbedingungen eine andere, gleichwohl kollektive Verbindlichkeit des Prüfungs- und Begründungsverfahrens als es die Mathematik oder die naturwissenschaftliche Theorie anbieten. (Zur Kritik des Rationalismus gehört die Differenzierung gegenüber der Maßgabe, more geometrico zu verfahren.) Das weisheitsliebende Verfahren kann hingegen nur das einer Methode sein, das ein Mitgehen zur Einsicht in Bedingungen und Gründe ihrer dieses gemeinsame Gehen leitenden Grundsätze weist und so den Mitweg im Gehen zu weisen ermöglicht.

Das Wort Methode ist aus meta, mit, und hodos, Weg, gebildet, stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet nichts anderes als den Mitweg. Die Aufgabe der in kritischer Methode zur Unterscheidung der Vermögen sich bildenden Erkenntnis ist Ermöglichung des Mitgehenkönnens dort, wie wir einander Wege weisen und Regeln geben, um die nicht gegenständlich fassbaren Vermögen (als Bedingungen des Seinkönnens als einander achtende Personen) achten und pflegen und uns in ihrer Ausübung recht orientieren zu können. Die zu entdeckenden Ideen und anzunehmenden Maßgaben müssen sich als diejenigen erweisen, denen wir schon folgen, wo Vermögen als sich entsprechend selbstbewußt in Anspruch nehmen.

Zu berichtigende Kritik unserer Vermögen genötigt werden wir, wenn wir in der Weisungs- und Gesetzgebung uns in Widerstreite verstricken. Widerstreite in der Gesetzgebung hat bereits Platon in der Politeia (Verfassung) zum Austrag gebracht; Kant hat solche für die rationalistisch verfahrende reine Verstandesvernunft aufgedeckt und zu jener Kritik der Vernunftvermögen geführt, die den Selbstwiderstreit durch die angesprochenen Unterscheidungen der Vermögen und der Annahme des als aufgegeben Erkannten zu lösen vermochten.

Das streitlösende Verfahren

Wir können uns über etwas nur dann streiten, wenn wir über dasselbe streiten und darum gebrauchen wir in jedem Streit um Begriffe als Bedingung der Möglichkeit von Widerstreit notwendig einen und denselben Begriff, unterstellen also, dass wir im Begriffswort um die rechte Bestimmung uns noch im Streit auf denselben Begriff beziehen, obwohl oder gerade weil eine gemeinsame und verbindliche Bestimmtheit seiner Bedeutung fehlt, aber doch vermisst wird, sonst würden wir uns nicht um die rechte Bestimmung streiten.

Die so oft als zu befördern genannte „Streitkultur“ bedarf der Teilnahme jener, die den Anspruch des Gemeinsinns durch den Versuch der rechten Bestimmung von in Grundsätzen der verfassten Gemeinschaft leitenden Begriffen wahren, sich aber zugleich zu besinnen und mit bloßen Behauptungen zurückzuhalten vermögen, um reflexiv auf die Bedingungen des Streits um das Rechte und Gemeinschaftstaugliche aufmerksam sein zu können, wissend geworden, dass der Streit weder durch definitorische Aussagen noch durch Wertungen zu lösen ist. Er wird vielmehr gerade dadurch verursacht, dass Ideen und Prinzipien zum Gegenstand von Aussagen über sie gemacht worden sind, was das Achten und Befolgen und das Annehmen der Maßgabe verletzt.

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Das Auffinden der voneinander zureichend sich unterscheidenden, unverwechselbaren Orte der Ideenbegriffe verlangt eine Art Synopsis, eine vorgreifende Zusammenschau, die Nähe und Ferne, Teilhabe und Entgegensetzung zwischen den Vermögen selbst in ihren Begriffen im Entwurf berücksichtigt und zur Bewährung der Zusammenstimmung eine ästhetische, von Gefühl und Rhythmus begleitete ars inveniendi ins Spiel der Vollendung bringt – um alles Beliebige und Willkürliche und Streit Hervorrufende aus Achtung eines jeden überschreiten zu können, auf dass – seiner selbst gemäß – ein jedes das Seine zu tun vermöge.

Tahra, Harald, Katharina
am Kloster Hülfenberg