Hilfsbereitschaft und Kooperation
Auf der Wanderung entlang dem Grünen Band ist Katharina, unsere Initiatorin dieses Kundeprojekts zu Gemeinschaft und Zusammenhalt, immer wieder angewiesen auf Hilfe und Unterstützung durch die Menschen, denen sie unterwegs begegnet. Ganz bewußt bittet sie mit ihrem Lied um Unterkunft und Wegzehrung und stellt sich mit ihrem Lied in die Tradition des fahrenden, des erfahren werdend lernenden Gesellen:
https://www.ardmediathek.de/video/hallo-niedersachsen/die-grenzgaengerin-was-haelt-unsere-gesellschaft-zusammen/ndr/Y3JpZDovL25kci5kZS81NTYyNmM1NS03MjRiLTQyZTAtODMwMy1mY2EyYTQ0MGUzZGM
Sie spricht damit ein zur Natur des Menschen gehörendes Verhalten der Hilfsbereitschaft an, für das ihre Berichte immer wieder Beispiel geben. In den letzten Jahrzehnten wurde dieses Vermögen und die angeborene Neigung, anderen kooperativ zu helfen, auch experimentell bereits für Kleinkinder nachgewiesen. Entscheidend ist das Mitwirken am Gelingen eines erkennbar werdenden Vorhabens. Lohn und Entgelt wären, so die Einsicht der Entwicklungspsychologen, eher hinderlich für Impuls und Bereitschaft zu helfendem Mitwirken.
Ich stelle hier einige Berichte und Links zu diesen experimentell gestützten Erkenntnissen zur kindlichen Hilfsbereitschaft zusammen.
https://www.tagblatt.ch/panorama/die-geburt-der-hilfsbereitschaft-ld.938258
Die Geburt der Hilfsbereitschaft
Schon Dreijährige wollen andern beistehen – aus sich heraus und nicht weil sie dies gelernt hätten: Wie der Mensch zum Menschen wird, untersuchen Forscher in Leipzig auch im Vergleich zu Menschenaffen.
Es ist ein Versuch, der viel aussagt über den Menschen. Er findet statt am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Der Psychologe Robert Hepach stapelt Dosen zu einem Turm. Ein zweijähriges Kind beobachtet ihn. Die letzte Dose fällt vom Tisch – sofort ist das Kind da und hebt sie auf.
Die Forschungen von Hepachs Doktorvater Michael Tomasello haben gezeigt, dass «Kinder unter drei Jahren noch nicht nach den sozialen Normen und moralischen Regeln ihrer Kultur handeln». Das heisst im beschriebenen Experiment: Sie helfen nicht, weil dies von ihnen erwartet wird. Sondern weil sie es aus sich heraus wollen.
In der kooperativen Nahrungssuche des Menschen erblickt Tomasello den Ursprung für zahlreiche typisch menschliche Verhaltensweisen: unseren Enthusiasmus beim Verfolgen gemeinsamer Ziele; unsere Bereitschaft, Wissen freimütig weiterzugeben; unseren Impuls, Notleidenden zu helfen.
https://deavita.com/aktuelle-nachrichten-news/altruistische-kinder-neue-studie-fruehalter-117.html
Altruistische Kinder: Neue Studie zeigt Hilfsbereitschaft im Frühalter
Von Charlie Meier Veröffentlicht am Feb 4, 2020
Neue Forschungen des Institute for Learning & Brain Sciences (I-LABS) der Universität Washington haben ergeben, dass Altruismus bereits im Kindesalter einsetzen kann. An der Studie nahmen fast 100 19-monatige Kleinkinder teil. Die Forscher fanden heraus, dass Kinder, auch wenn sie hungrig waren, einem bedürftigen Fremden einen leckeren Snack gaben. Die Ergebnisse zeigen nicht nur, dass Säuglinge sich altruistisch verhalten, sondern auch, dass frühe soziale Erfahrungen Altruismus prägen können.
"Wir halten Altruismus für wichtig, um ihn zu studieren, da dies einer der charakteristischsten Aspekte des Menschseins ist. Das ist ein wichtiger Bestandteil des moralischen Gefüges der Gesellschaft", sagte Rodolfo Cortes Barragan, Postdoktorand am I-LABS und Hauptautor der Studie. "Wir Erwachsenen helfen uns gegenseitig, wenn wir einen anderen in Not sehen, und wir tun dies auch dann, wenn es für uns selbst Kosten verursacht. Deshalb haben wir die Wurzeln dieses Phänomens bei Säuglingen getestet."
Es wurde festgestellt, dass nichtmenschliche Primaten unter eingeschränkten Bedingungen zusammenarbeiten und Ressourcen gemeinsam nutzen. Aber nichtmenschliche Primaten wie Schimpansen geben nicht aktiv leckeres Essen ab, das sie selbst brauchen. I-LABS-Forscher wollten also testen, ob menschliche Säuglinge in der Lage sind, über das Eigeninteresse hinaus zu handeln, wenn sie mit einem der grundlegendsten biologischen Bedürfnisse konfrontiert werden - Nahrung.
Barragan sagte zu der Studie: "Wir glauben, dass bestimmte familiäre und soziale Erfahrungen einen Unterschied machen, und weitere Forschung wäre wünschenswert, um besser zu verstehen, was den Ausdruck von Altruismus bei kleinen Kindern maximiert. Wenn wir herausfinden können, wie wir den Altruismus unserer Kinder fördern können, könnten wir uns einer fürsorglicheren Gesellschaft nähern. "
Ich helf dir – einfach so. Schon achtzehn Monate alte Kinder tun genau das, ganz ohne Impuls von außen.
Nicht nur Erwachsene haben den Wunsch, am sozialen Geschehen und an persönlichen Entscheidungen und solchen, die die ganze Sozialgruppe betreffen, beteiligt zu sein. Bereits Anderthalbjährige spüren eine starke von innen kommende Motivation, anderen Menschen – selbst Unbekannten – zu helfen, zeigen besonders eindrücklich die Experimente der beiden Wissenschaftler Felix Warneken und Michael Tomasello vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.
Ohne verbale oder nonverbale Aufforderung ihrer Mutter helfen die in einer Laborsituation beobachteten circa 18 Monate alten Kinder spontan dem erwachsenen Versuchsleiter, der es (scheinbar) nicht alleine bewältigt, eine Schranktür zu öffnen oder eine fallen gelassene Wäscheklammer aufzuheben. Und dies, ohne dass der Versuchsleiter sie aktiv um Hilfe bittet, sondern lediglich körpersprachlich und mit kurzen Lauten wie „Oh“ und „Mmhh“ eine Blockade in seinem gewünschten Handlungsablauf signalisiert.Voraussetzung für die gezeigte Hilfsbereitschaft ist der Start frühkindlicher Empathiefähigkeit, also das beginnende Verständnis dafür, wie es einem anderen Menschen geht, wie er sich fühlt. Offensichtlich erkennen Kinder, dass es dem anderen gerade schlechter geht als einem selbst und dass er Hilfe braucht.
Die Freude am eigenen Tun
Funktionslust ist eine von Karl Bühler eingeführte Bezeichnung für das subjektive Korrelat des meist unermüdlichen Wiederholens erlernter und besonders schwieriger Bewegungsweisen. Einmal bewältigte motorische Bewegungsabläufe führen zu einer Belohnung durch Ausschüttung körpereigener Opiate im Gehirn und steigern dadurch die Lust, noch schwierigere Bewegungsabläufe zu erlernen. Allein das angemessene, glatte, reibungslose Funktionieren der Körperorgane, unabhängig von jedem Erfolg, den die Tätigkeit bringen könnte, wird zur Lustquelle. Diese Freude am eigenen Tun und Erfolg ist eine starke Triebfeder kindlichen absichtslosen Spiels und Lernens. Sie ist eine starke intrinsische Motivation für selbstauferlegte Bildungsbemühungen.
Hilfsbereit von klein auf
In verschiedenen Folgeexperimenten erhielten die Leipziger Forscher spannende Antworten auf die Frage, warum Kinder sich anstrengen, um dem Erwachsenen zu helfen. Die Kleinstkinder begriffen nicht nur den Hilfsbedarf des Erwachsenen in den aufgeführten Szenen, sondern auch seine Absicht. Die Kinder reichten einem ihnen unbekannten Versuchsleiter eine Wäscheklammer, die diesem anscheinend versehentlich heruntergefallen war und die er nicht mehr erreichen konnte. Wenn er sie offensichtlich freiwillig fallen ließ, halfen sie dagegen nicht. Sie legten ein Buch richtig auf einen Stapel, das der Versuchsleiter (scheinbar) versehentlich danebengelegt hatte, jedoch griffen sie nicht ein, wenn er dies absichtsvoll und zielgerichtet zu tun schien. Sie öffneten eine Schranktür, wenn er die Hände nicht frei hatte, aber nicht, wenn er offensichtlich etwas auf den Schrank legen wollte. Dies taten sie fast immer sofort und nicht erst, wenn der Versuchsleiter abwechselnd sie und dann das Objekt anschaute oder das Problem verbalisierte. Kinder sind also offenbar schon sehr früh an geteilten Absichten (shared intentions) von anderen interessiert und dazu in der Lage, diese Absichten gut zu erkennen!Eine (vermeintlich) echte Hilfsbedürftigkeit des Erwachsenen ist also eine wichtige Voraussetzung für frühkindliche Hilfsbereitschaft. Aber was ist die eigentliche Motivation? Da das Kind für sein Verhalten nicht belohnt wurde und auch nicht von seiner Mutter angespornt wurde zu helfen, muss für derartige Hilfsaktionen auf jeden Fall eine Form der intrinsischen Motivation vorliegen. Handlungsweisen, die aus Neugier oder Interesse, die aus der Person selbst kommen, entstehen, sind intrinsisch motiviert. Extrinsisch motiviertes Verhalten ist im Gegensatz dazu fremdbestimmt und wird durch Belohnung, Strafandrohung oder Ähnliches ausgelöst.Weitere Versuche der Leipziger Forscher hatten das Ziel zu prüfen, ob die intrinsische Motivation durch externes Anspornen oder Belohnung noch steigerbar ist. Dabei zeigte sich, dass gegen jede Erwartung der klassischen Lerntheorie die Motivation der Kinder weder durch verbale Ermutigung der Mutter noch durch Belohnung in Form eines interessanten Spielzeugs zu steigern war. Im Gegenteil: Warneken und Tomasello wiesen nach, dass 19 bis 21 Monate alte Kinder sogar weniger in einer zweiten Testrunde halfen, nachdem sie für ihr prosoziales Verhalten im ersten Durchlauf eine materielle Belohnung erhalten hatten. Belohnt worden zu sein, scheint ihre intrinsische Motivation eher abzuschwächen.
Die Krux mit dem Loben
Die pädagogische Unterstützung sollte also nicht darin bestehen, Kinder aufzufordern, Gutes zu tun oder sie für in Erwachsenenaugen richtiges Verhalten zu loben. In einer kanadischen Studie der Entwicklungspsychologin Joan Grusec zeigten Vierjährige, die häufig dafür gelobt wurden, prosozial zu sein, die Tendenz, im Alltag eher weniger hilfsbereit zu sein als seltener gelobte Kinder.Jedes Mal, wenn sie ein „Gut geteilt!“ oder ein „Ich bin so stolz auf dich, dass du hilfst!“ hörten, wurden sie weniger daran interessiert, zu teilen oder jemandem zu helfen. Diese Tätigkeiten wurden nicht mehr in sich selbst als etwas Wertvolles angesehen, sondern als etwas, das erneut gemacht werden musste, um die Aufmerksamkeit des Erwachsenen zu erhalten, die momentan aber gar nicht nötig war. Hilfsbereitschaft wurde damit zum Mittel zum Zweck degradiert.Richtig zu loben, ist eine pädagogisch durchaus herausfordernde Fähigkeit. „Alles, was zu allgemein, übertrieben oder offensichtlich manipulativ ist, schadet“, sagt die Wissenschaftsjournalistin Nicola Schmidt. Ein pauschales Lob „Wie gut du bist!“ kann Kinder massiv unter Druck setzen, weil jederzeit die Möglichkeit besteht, die gute Leistung beim nächsten Mal nicht mehr zeigen zu können, Versagensangst droht.