Unterwegs - mit Grünem Band


Stiftung von Gemeinschaft


Schöpfungs- und Gründungsmythen haben eine konstitutive Funktion für Identität und Zusammenhalt von Stammesgesellschaften.

Sie rechtfertigen – wie Claude-Levi Strauss u.a. in Mythologica gezeigt hat – Regeln des gesellschaftlichen Verhaltens und Handels und deren sie stabilisierende Riten.

Die Frage ist, ob moderne, bürgerliche Gesellschaften, die ökonomisch auf Privat- und Kapitaleigentum und deren marktwirtschaftliche Strukturen basieren, solcher Begründungserzählungen zur Identitätssiftung fähig sind, und ob ein so verfasstes Staatsvolk in aller kulturellen Vielfalt eine es vereinigende Kultur ausbilden und einen sein Ursprungsgedächtnis wahrenden Gründungsmythos zum gemeinschaftsstiftenden Zentrum haben kann? Der Staatskult und Feierlichkeiten zum Tag der Einheit taugen dazu wohl ebensowenig wie ein Denkmal der Einheit zur Erinnerung an die Montagsdemos in Leipzig. .

Es müsste ein Gründungsmythos der Erneuerung der Ordnung der Gemeinschaft und ihrer Sittlichkeit sein, der die rechtsstaatliche Eigentumsgarantie und das gewährleistete Freiheitsrecht der Personen verbindlichkeitsstiftend durchgreift und bis in die gemeinschaftliche Gesetzgebung und die Rechtsprechung im Namen des Volkes hinein eine identifikative Bindungskraft für die selbstbewußt entscheidungsfähigen Einzelnen entfaltet.

Wir können die für die Gemeinschaftlichkeit eines demokratischen Rechtsstaats erforderlichen Strukturbedingungen eines Gründungsmythos am Beispiel der Darstellung von Gründungs- und satzungsgebender Stiftungshandlungen erörtern, das uns die Orestie des Aischylos gibt.



Zusammenhalt

Ein Beispiel für die Begründung von Zusammenhalt menschlicher Vergemeinschaftungen ist das Beistandsverprechen, das auch in der Eheschließung - in guten wie in schlechten Tagen - eine elementare Rolle spielt.

Das Fürsorgeverhalten zu den Kindern bestimmt sich in der Familie jedoch nicht durch ein Versprechen, sondern hier entspringt das Verhalten einer emotional getragenen Bindung, deren Bruch - wie die Szene zwischen Orest und seiner Mutter Klytemestra in den Choephoren zeigt - zu anderen Konsequenzen in der Gemütsverfassung führt, als die eine ggfls. gerichtlich einklagbare Vertragsverletzung zeitigte.

Ein besonder, aber für die Begründung von Rechtsgemeinschaften bedeutsamer Fall ist der einen Zusammenhalt stiftende Beistandspakt, wie er im Rütli-Schwur zur Gründungslegende der Schweiz geworden ist.

Der Eid der Genossen zu gegenseitigem Beistand gilt als Begründung der Eidgenossenschaft zur Abwehr tyrannischer Gewalt und zeigt, wie ein Zusammenhalt von verbündeter Handlungsmacht sich in Entgegensetzung zu feindlicher Macht formiert.

Bismark ist es 1871 nur aufgrund des Krieges gegen Frankreich gelungen, die deutschen Staaten als Reich zu vereinigen.


Bei diesem Licht, das uns zuerst begrüßt

Von allen Völkern, die tief unter uns

Schwerathmend wohnen in dem Qualm der Städte,

Laßt uns den Eid des neuen Bundes schwören.

Wir wollen seyn ein einzig Volk von Brüdern,

In keiner Noth uns trennen und Gefahr.

Wir wollen frey seyn wie die Väter waren,

Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.

(Friedrich Schiller, Wilhelm Tell)


Treueversprechen des Bundes 1291: 

in guten Treuen sich versprochen haben, sich gegenseitig mit Hülfe, jeglichem Rat und Förderung, mit Leib und Gut beizustehen, innerhalb der Täler und außerhalb, mit aller Macht und Kraft, gegen eine Gesamtheit oder gegen Einzelne, die ihnen oder einem von ihnen Gewalt antun, sie belästigen oder ihnen Unrecht zufügen und gegen ihr Leib und Gut Böses im Schilde führen sollten.